Pressemitteilung
Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen Nordrhein-Westfalen:
Reformvorschläge der Europäische Kommission und der sozialdemokratischen Handelsminister der EU beseitigen nicht die Mängel der internationalen Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit
Die internationale Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit verstößt auch mit den Reformvorschlägen der Europäischen Kommission und der sozialdemokratischen Handelsminister gegen demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze. Zudem gäbe es keinen Bedarf einer
solchen Schiedsgerichtsbarkeit zwischen den funktionierenden Rechtsstaaten in den USA, Kanada und Europa. Selbst wenn systematische Mängel im Rechtsschutz ausländischer Unternehmen bestünden, wäre es zwischen etablierten Rechtsstaaten der richtige Weg, sie zu beseitigen.
Zu diesen Ergebnissen kommt eine Analyse der Vorschläge der Europäischen Kommission und der sozialdemokratischen Handelsminister der EU zur Modernisierung der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit, die die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (AsJ) Nordrhein-Westfalen jetzt vorgelegt hat. Nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission soll eine internationale Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit in das bereits ausverhandelte aber noch nicht paraphierte und ratifizierte Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA) und in das zur Zeit noch verhandelte Transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) aufgenommen werden. Mit dem CETA liegt ein ausverhandelter Text vor, der als Blaupause für TTIP dient und konkret analysiert werden kann. In einem gemeinsamen Papier vom Februar 2015 hatten sich die sechs sozialdemokratischen Handelsminister in der EU auf Reformvorschläge geeinigt, die über die Vorschläge zu Innovationen der Europäischen Kommission hinausgehen.
Ausgangspunkt der jetzt von der AsJ Nordrhein-Westfalen vorgelegten Studie sind die groben Mängel der bereits etablierten Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit, die als Notbehelf zur Flankierung von Auslandsinvestitionen in unsicheren Staaten bereits vor Jahrzehnten entstanden ist. Bedeutsam ist dieses Streitbeilegungsverfahren erst seit etwa 15 Jahren geworden, als die Zahl der Verfahren weltweit angestiegen ist. Deutschland hat zwar viele internationale Investor-Staat-Investitionsschutz-Abkommen abgeschlossen aber mit dem CETA und dem TTIP würden mit Kanada und den USA kapitalexportierende Länder in einem Maße wie nie zuvor einbezogen.
Hauptmangel ist, dass die Schiedsgerichte nicht neutral sind. Aufgrund ihrer Konstruktion und Ausgestaltung werden sie Investoreninteressen bevorzugt. Das stellt eine Gefahr für die Staatsfinanzen und indirekt für die staatliche Regulierungsstätigkeit dar. Die in der Regel aus Anwaltskanzleien stammenden, fallweise berufenen Schiedsrichter haben einen breiten Interpretationsspielraum. Versuche von Vertragsstaaten, diesen einzugrenzen habe einige der Schiedsgerichte ignoriert. Die Europäische Kommission und darauf aufbauend die sozialdemokratischen Handelsminister in der EU haben einen dringenden Reformbedarf festgestellt und Vorschläge zu Innovationen vorgelegt.
Die Studie kommt nun zu dem Ergebnis, dass die Innovationen die unzureichende Unabhängigkeit der Investor-Staat-Schiedsgerichte zwar mildern, aber nicht beseitigen werden. Die verfehlte einseitige Ausgestaltung der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit bliebe erhalten und würdelediglich auf ein höheres systematisches Niveau gehoben. Zwar seien die Anspruchsgrundlagen präziser gefasst als in den bisherigen Abkommen, aber es bestünden für die Schiedsrichter immer noch große Interpretationsspielräume. Ohne Beteiligung der Parlamente könnten nach Verabschiedung der Abkommen durch Entscheidungen eines zwischenstaatlichen administrativenHandelsausschusses Änderungen der Anspruchsgrundlagen und damit auch haftungserweiternde Vorschriften eingeführt werden. Mechanismen, wie gemeinsame, nachträgliche Leitlinien zur Eindämmung eines eventuellen Missbrauchs, kommen nach den Formulierungen im CETA auch in Betracht um schwerwiegende Auslegungsfragen zu klären, die möglicherweise Investitionen beeinträchtigen.
Der in die Diskussion gebrachte internationale Investitions- und Handelsgerichtshof, der je nach Ausgestaltung durchaus diskussionswürdig sei, soll parallel zum TTIP mit den USA verhandelt
werden und gilt als mittelfristiges Ziel. Die Studie kommt zu der Einschätzung, dass die Erfolgsaussichten dieses Vorschlags zu gering sind. Weiter stellt sie fest, dass es keine Hinweise für einen systematischen Mangel im Investitionsschutz vor den nationalen Gerichten in den USA, Kanada und der EU gibt. Wenn es solche Mängel gäbe, sei es rechtspolitisch viel sinnvoller, an diesen zu arbeiten. Das würde die
nationale Rechtstaatlichkeit stärken und damit dem gesamten Justizwesen und der Bevölkerung zu Gute kommen. Die Internationale Investor-Schieds-Gerichtsbarkeit vor allem zwischen etablierten Rechtsstaaten bremst oder verhindert das sogar. Sie sei auch deswegen
rechtspolitisch verfehlt.